Als ich gebeten wurde, eine Fortbildung zum Thema „Kommunikation mit psychisch erkrankten Menschen“ vorzubereiten, habe ich mich spontan gefragt, warum man mit Menschen, die an einer  psychischen Erkrankung leiden, anders reden sollte? Ist das nicht diskriminierend?

Wenn ich aber an meinen Arbeitsalltag im Betreuten Wohnen denke, gibt es tatsächlich ein paar Besonderheiten in der Kommunikation, die es für alle Beteiligten leichter macht, sich gegenseitig zu verstehen und mit den Herausforderungen der jeweiligen Erkrankung umzugehen. Insbesondere auch für die Betroffenen. Hier ein paar Empfehlungen:

 

Psychosen

Menschen in einer Psychose erleben Dinge, die sie selbst nicht einordnen können. Die Wahrnehmung verändert sich, der Körper oder bestimmte Körperteile fühlen sich anders an,  sie hören Stimmen oder sehen Bilder, sie fühlen sich bedroht und verfolgt. Oft trauen sie ihren eigenen Empfindungen nicht mehr. Dieser Zustand macht Angst. Hinzu kommt die Angst, nicht verstanden zu werden. Gleichzeitig tun sie sich schwer ihre Gefühle auszudrücken und über das Erlebte zu reden. Manche Klient*innen halten sich selbst für verrückt oder schämen sich, wenn sie die eigenen Worte laut aussprechen, die keinen Sinn ergeben.

Psychotisches Erleben kommt nicht nur bei der schizophrenen Erkrankung vor. Psychosen können auch bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen, bipolaren Erkrankungen, schweren Depressionen, Drogenkonsum oder auch bei extremen Stresssituationen auftreten.

* Das Wesentliche ist, den Betroffenen Verständnis und Akzeptanz entgegen zu bringen. Auch wenn Sie in keinster Weise etwas vom Erzählten nachvollziehen können. Logik hat im psychotischen Erleben keinen Platz.

* Diskussionen über unterschiedliche Wirklichkeiten sollten Sie daher vermeiden. Es bieten sich neutrale Gesprächsthemen an.

*Da das Chaos im Inneren der Betroffenen schon groß genug ist, ist es wichtig für Ruhe zu sorgen und störende Außenreize zu vermeiden. Zu viele Menschen machen Angst. Zu viel Lärm lenkt ab, wenn man sich ohnehin schon schlecht konzentrieren kann.

*Achten Sie auf eine klare, einfache Sprache. Langen Erklärungen und umständlichen  Schachtelsätzen können Betroffene – so wie wir selbst auch – oft nicht folgen. Versuchen Sie die notwendigsten Botschaften in kurzen, einfachen Sätzen zu vermitteln.

*Vermeiden Sie Zynismus bzw. Sarkasmus. Doppeldeutigkeiten werden oft missverstanden. Die Betroffenen müssen sich auf das Gesagte verlassen können.

*Wichtig ist auch, den Betroffenen klar die eigene Vorgehensweise zu erläutern. Sie erleben oft, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird – in manchen Situationen ist dies zu ihrem eigenen Schutz notwendig. Aber nicht zu wissen, was nun mit mir passieren wird, verstärkt die Angst und das Gefühl der Ohnmacht. Die Menschen sind erwachsen und sollten auch als solche behandelt werden.

 

Passivität

Passivität ist ein Teil der Erkrankung, sie kann ein Hinweis auf Überforderung oder Vereinsamung sein, eine Folge von Medikamenten oder auch ein Rückzug nach einer Akutphase. Sie sollte nicht mit Faulheit, Desinteresse oder Sich-gehen-lassen verwechselt werden. Daher ist es auch hier wichtig Verständnis zu zeigen.

Zur Aktivierung sollten kleine Tages- und Wochenziele festgelegt werden. Die Aufgaben sollten konkret formuliert werden und in naher Zukunft zu bewältigen sein. Zu lange Vorausplanungen wirken überfordernd. Manchmal sind die Betroffenen froh begleitet zu werden. Dennoch sollten die eigenen Kompetenzen nicht verkümmern und das Gefühl der Selbstwirksamkeit nicht noch mehr reduziert werden. So ist ein klassischer Leitsatz: So wenig Unterstützung wie möglich, aber so viel wie nötig.

Generell befindet man sich hier stets auf einer Gratwanderung zwischen Schonung und Überforderung, zwischen zu viel und zu wenig Unterstützung. Daher ist es wichtig, auch die eigenen Grenzen zu benennen.

 

Aggression

Hin und wieder wird man auch mit aggressiven Verhaltensweisen konfrontiert. Hier gelten – eigentlich unabhängig davon, ob jemand an einer psychischen Erkrankung leidet oder nicht – folgende Verhaltensregeln:

*Bleiben Sie ruhig, auch wenn es schwer fällt. Versuchen Sie eine ruhige Körpersprache zu zeigen und auch ihre Stimme ruhig zu halten. Dies aktiviert meist die Emotionskontrolle des Gegenübers und er/sie wird auch ruhiger.

*Klären Sie die Regeln, unter welchen Umständen jetzt ein Gespräch geführt werden kann oder wann sie es abbrechen und den Raum/ den Ort verlassen. Zum Beispiel sagen Sie: „Ich bin da und versuche dir zu helfen, aber wenn du mich weiter anschreist, verlasse ich den Raum.“

*Wenn möglich, finden Sie den Auslöser für die Aggression. Gerade Menschen mit einer psychischen Erkrankung/ in einer Krise fühlen sich rasch überfordert und gestresst und reagieren dann impulsiv oder aggressiv. Oft ist es hilfreich, das aktuelle Gefühl zu benennen. Eine Klientin fühlte sich beispielsweise von ihrer Schwester zurückgewiesen und zeigte nach Telefonaten mit ihr oft aggressive Verhaltensweisen gegenüber Mitbewohnerinnen. Da war es oft hilfreich nachzufragen: „Kann es sein, dass Sie der heutige Anruf Ihrer Schwester belastet hat und Sie enttäuscht sind, dass Sie schon wieder abgesagt hat?“ Dies war oft die Basis für ein Entlastungsgespräch und einen adäquaten Umgang mit dem unangenehmen Gefühl. – Wichtig ist dabei jedoch, nicht ins Blaue zu psychologisieren. Wenn sich der/die Betroffene nicht ernst genommen fühlt, könnte dies die Erregung steigern.

*Vermeiden Sie Provokationen. Auch wenn Sie meinen mit Ihrer Argumentation im Recht zu sein, sollte Sie eine weitere Eskalation, auch zu Ihrer eigenen Sicherheit, vermeiden. Gespräche über die aktuelle Konfliktsituation erhöhen die innere Anspannung.

*Vermeiden Sie eine emotionale Überschwemmung, reden sie dosiert, d.h. sagen Sie nur das, was jetzt in dieser Situation wichtig ist. Langen Erklärungen können nicht gefolgt werden, Einsicht und Kooperationsbereitschaft sind im Zustand hoher Erregung kaum möglich. Wenn sich die Situation beruhigt hat, kann man noch einmal über die Situation sprechen und gemeinsam nach Lösungen suchen.

*Vermeiden Sie Einengung, sowohl emotional aus auch körperlich. Lassen Sie Ihrem Gegenüber wenn möglich eigene Entscheidungsmöglichkeiten. Vermeiden Sie Ja-/Nein-Fragen. Schaffen Sie Zeit und Raum. Bieten Sie der/dem Betroffenen immer die Möglichkeit den Raum zu verlassen, Türen sollten nicht verschlossen werden, stellen Sie sich auch keinesfalls in den Weg.

*Machen Sie Ihre eigenen Möglichkeiten und Grenzen transparent. Erklären Sie, was Sie anbieten können und warum Sie ein bestimmtes Anliegen gerade nicht erfüllen können.

*Last but not least: Ihre Sicherheit geht vor! Manchmal ist es notwendig, sich Hilfe zu holen und die Polizei zu verständigen.

 

 

 

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