Viele Menschen stellen sich nach einer seelischen Krise die Frage, wie belastbar sie noch sind, wieviel Stress sie sich noch zumuten dürfen. Sobald die Lebensfreude zurückkommt, meldet sich auch die Angst. Habe ich wieder Spaß an meinem Job oder werde ich schon wieder manisch? Hat mich beim Einschlafen nur ein intensives Erlebnis vom Tag beschäftigt, oder beginne ich schon wieder zu Grübeln? Nach einer sehr aktiven Woche fühle ich mich nicht gestresst – übergehe ich schon wieder meine Grenzen?
Aus Angst vor einem Rückfall beginnen viele Klient*innen vermeintlichen Stress, und damit auch vieles, das Freude macht, zu vermeiden. Gleichzeitig fürchten sie aber auch Untätigkeit, Langeweile und Einsamkeit, die mit dem Vermeidungsverhalten häufig einhergehen.
Stress ist im Leben nicht immer vermeidbar. Ein gewisses Maß an Aktivität brauchen wir auch zu unserem Wohlbefinden. Wesentlich ist, dass wir den Belastungen des Alltags nicht ausgeliefert sind, sondern das Stress- oder Aktivitätslevel selbst regulieren können. Dass wir zwischen Anspannung und Entspannung aktiv wechseln können. Dazu müssen wir wieder lernen, die Signale unseres Körpers und unserer Psyche achtsam wahrzunehmen.
Übung: eine Balance zwischen Über- und Unterforderung finden
Stellen Sie sich zwei gegenüberliegende Pole vor und markieren Sie diese am Boden zum Beispiel mit Pölstern, Decken oder auch mit je einem Blatt Papier. Ein Pol stellt zu viel Aktivität, Überforderung, Anspannung dar, der andere zu wenig Aktivität, Langeweile, Unterforderung. Eine imaginäre Linie verbindet die beiden Pole miteinander.
*Die Wahrnehmung schärfen
Stellen Sie sich nun auf die Überforderung. Wie fühlt sich Ihr Körper in der Überforderung an, welche Symptome zeigt Ihnen Ihr Körper? Vergeht Ihnen der Appetit oder bekommen Sie Heißhunger? Könnten Sie nur noch schlafen oder leiden Sie an Schlafstörungen? Wo genau spüren Sie die Anspannung, welche Körperteile, welche Organe sind betroffen? Wie ist ihre Atmung? Welche Gedanken und Gefühle kommen auf? Werden Sie immer leichtsinniger in Ihren Entscheidungen oder plagen Sie immer mehr Selbstzweifel?
Danach stellen Sie sich auf den Pol der Unterforderung und spüren Sie ebenso hinein. Wie verändern sich die Empfindungen hier? Wie ist Ihre Körperhaltung, was spüren, fühlen, denken Sie? Woran würden andere Menschen erkennen, dass sie chronisch gelangweilt sind?
*Die innere Mitte finden
Nun wandern Sie zwischen den beiden Polen langsam hin und her. Wo ist Ihre innere Mitte? Wo fühlt sich Ihr Aktivitätslevel am angenehmsten an, wo können Sie kreativ sein, wo sind Sie vielleicht sogar im Flow? Es muss nicht die reale Mitte zwischen den beiden Polen sein. Viele Menschen brauchen mehr Aktivität als Passivität für ihr seelisches Gleichgewicht, bei manchen ist es umgekehrt. Es fühlen sich auch nicht alle Menschen am Äquator am wohlsten, manche mögen es lieber wärmer, andere leben lieber in kälteren Regionen.
Wie fühlt sich Ihre innere Mitte, ihre Ausgeglichenheit an? Wo im Körper spüren Sie sie am meisten? Wie ist ihre Atmung, ihre Körperhaltung? Welche Gedanken und Gefühle kommen hier auf? Welche Bilder tauchen auf?
*Das Spannungslevel regulieren
Gehen Sie nun von Ihrer Mitte, Ihrer Ausgeglichenheit noch einmal Richtung Überforderung. Wann beginnt das Stresslevel zu steigen? Woran erkennen Sie, dass Sie auf die Überforderung zusteuern? Was sind Ihre Warnsignale? Wo sollte das Stoppschild spätestens aufleuchten? Und was bringt Sie wieder näher an Ihre innere Mitte? Wer oder was könnte Sie dabei unterstützen? Gehen Sie nun wieder zurück zu Ihrer Ausgeglichenheit und von dort in Richtung Langeweile, Unterforderung. Wie verändert sich hierbei Ihre Empfindung? Was motiviert Sie wieder aktiv zu werden?
Achtsamkeit
…immer wieder inne halten … durchatmen … meine eigenen Empfindungen wahr- und ernst nehmen … mir sowohl Lebenslust, Spaß und Spontaneität, als auch das Bedürfnis nach Ruhe zugestehen … mir erlauben gut für mich selbst zu sorgen … meine Lebensgeschwindigkeit selbst regulieren …